Abtauchen und hoffen, dass die Luft reicht, bis ...?

Sommer in Italien – und das Leben zerbröselt … Wenn Anfang Juni die Schulferien beginnen, stiert man noch etwas ungläubig in den sommerlichen Abgrund, der sich da drei Monate lang und breit öffnet, dann lässt man sich langsam fallen, fallen, fallen und taumelt im August mit tutta bella Italia ins kollektive Koma am Meer. Jahr für Jahr, es ist wie ein Sog, sofern man nicht rechtzeitig über die Alpen geflüchtet ist.

Aber dieses Jahr ist alles irgendwie anders. In Genua wurde der kälteste Juli seit 30 Jahren gemessen, das Azorenhoch schmollte über den Azoren, anstatt uns zu wärmen und so konnten die frischen, gar frostigen Winde aus dem Norden ungehindert über die Alpen fegen. Unangenehm, höchst unangenehm. Der Sommer wollte – und will – einfach nicht richtig beginnen.

Passend dazu das politische, wirtschaftliche, also das übliche Desaster. Wenn man in Italien meint, das Mass des Erträglichen sei erreicht, öffnet sich stets ein weiterer Abgrund. Also: Erfrischend ehrlich ließ unlängst Wirtschaftsminister Giulio Tremonti verlauten, Italien befinde sich auf der Titanic. Italien – Titanic?? Schaukelte der Kahn Italien – zumindest nach Ansicht der Regierung – nicht wacker durch die Stürme der Weltwirtschaftskrise? Die Titanic Nummer seines Ministers verstimmte Berlusconi nachhaltig, doch mittlerweile sitzt Tremonti persönlich auf der Titanic und die Geschichte geht so: Er wohnte in Rom als eine Art Untermieter bei seinem – ehemals – engsten Berater. Monatsmiete 8.500 Euro. Nun gibt’s – mindestens – zwei Versionen:

  • Tremonti zahlte seinem Berater anteilig jede Woche 1000 Euro Miete. Woche für Woche. In bar. Ohne Quittung. Also: schwarz. Der Finanzminister.
  • Tremonti bezahlte gar nichts, weil sein Berater monatlich 10.000 Euro, nennen wir es mal: „Wohngeld für den Minister“, erhielt. Von einem Unternehmer, der im Gegenzug bei öffentlichen Aufträgen bevorzugt und von der Guardia di Finanza eher übersehen als überprüft wurde.

Nur um jeden Zweifel auszuräumen: Tremonti ist noch im Amt. sein ehemals engster Berater hat inzwischen Hausarrest, wird vermutlich im September (nach der Sommerpause des Parlaments) in den Knast verlegt und wegen Bestechung und schlimmeren Kleinigkeiten angeklagt.

Fragt man sich, warum Tremonti, der seit 15 Jahren Woche für Woche mindestens drei Arbeitstage in Rom sozusagen „auf Montage“ ist, eigentlich keine Wohnung in der Hauptstadt hat. Er habe in Hotels und in der Kaserne der Guardia di Finanza übernachtet, sagte der Minister in einem Interview, dort fühlte er sich allerdings verfolgt und ausspioniert. Und deshalb habe er das Angebot, Gast im Hause seines engsten Beraters zu sein, gerne angenommen. Ein einsames Kerlchen, verloren im Dschungel der Großstadt, findet Unterschlupf bei einer guten Seele. Warum mietet sich der Wirtschaftsminister eigentlich nicht wie jeder andere Bürger eine hübsche kleine Wohnung? Für hübsche kleine 4.000 Euro?

Zumindest dieses „verfolgt und ausspioniert“ unter dem Dach der Guardia di Finanza, das hat sich die Staatsanwaltschaft noch mal auf der Zunge zergehen lassen und eine Untersuchung angeleiert, bislang ohne Tatverdächtigen und – inzwischen – ohne Opfer. Denn Tremonti wiegelt ab, nein, nein, so war das eigentlich alles nicht gemeint.

Das macht alles gar keinen guten Eindruck. Die Titanic-Äußerung hatte den Premier zur Sommereinstimmung schon nicht amüsiert, aber nun krachen nicht nur international, sondern allen voran die italienischen Börsen und zwar mitten ins Sommerloch hinein, so dass Berlusconi sich genötigt sah, doch mal wieder im Parlament aufzutauchen und eine flaue Rede zu halten: Krise ja, aber das Land stabil, und was die Börse betrifft, davon habe er eine Ahnung, schließlich besitze er selbst drei börsennotierte Unternehmen … also, nur keine Panik … und damit schloss das Parlament zur Sommerpause.

Urlaubsstimmung? Dolce far niente?

5 thoughts on “ Summertime … ”

    1. Vielen Dank für die Blumen – der nächste Eintrag ist schwer überfällig, aber er kommt. Und demnächst auch wieder regelmässig – versprochen.

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  1. Habe vorhin den Artikel über die „rientra“ in der Brigitte gelesen und diesem entnommen, dass dessen Autorin irgendwo in Genua lebt. Nel frattempo ho letto qualche articolo del blog e mi sono divertita assai – mille grazie. Zwei Gedanken zum „Sommer in Italien“:
    1. Den kältesten Genueser Juli seit den 80er Jahren habe ich zwar verpasst (ich habe ersatzweise in Deutschland gefroren;-), aber ich fand es durchaus angenehm bei meiner Rückkehr eine kühle Wohnung vorzufinden und keinen „forno“.
    2. Ausgelöst durch entsprechende Pressemeldungen habe ich in der letzten Woche mal wieder mit Schülern über Politik gesprochen. Sie staunten nicht schlecht, als sie erfuhren, dass deutsche Abgeordnete im Falle von Abwesenheit während Sitzungsperioden einen entsprechenden Obulus leisten müssen. Ich staunte noch viel mehr, als sie behaupteten, dass italienische Abgeordnete eine Zusatzgratifikation erhielten, wenn sie im Parlament erschienen. Soviel zum dolce far niente.
    Es grüßt aus Genua, Ulrike

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  2. In Abhängigkeit von der Tageszeit sitze ich am häuslichen Schreibtisch im Centro storico oder stehe in einem Klassenzimmer mit Blick auf die Piazza Carignano. Un caro saluto verso Sturla!

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