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Ragazzi! Hatte ich jemals über Schlaglöcher geklagt? Nun, so lasst euch verkünden, es gibt neuerdings in Lecce so’ne und so’ne Straßen. Die mit und die ohne Schlaglöcher … Die, die aalglatt, schwarz glänzen, noch frisch nach Teer duften und mit leuchtend weiß gepinselten weißen Fahrbahnmarkierungen und Zebrastreifen prahlen. Und die meisten anderen eben. Die mit Rissen und Löchern, auf denen nix klares mehr zu erkennen ist, Mittellinien, Farbbahnmarkierungen oder gar Zebrastreifen zur Unkenntlichkeit verwaschen. Die einen sind des Städtchens neue Kleider, noch ungewohnt, irgendwie unpassend, aber einem großen Anlass angemessen. Die anderen sind die guten alten ausgewaschenen Jeans, in denen man sich zuhause fühlt, jedes Loch kennt – die für das normle Leben eben.
Aber warum sind die einen so und die anderen nicht? Weil die einen G8 Straßen und die anderen keine G8 Straßen sind. Weil sich auf den einen zwischen dem 11. und 13. Juni irgendein Finanz- oder Wirtschaftsminister dieser Welt bewegen wird und auf den anderen nicht. Jawoll, kein Scherz. Die wichtigsten Wirtschaftsminister dieser Welt kommen nach Lecce. Auf den letzten Zipfel Italien. Ist das toll? Wollen die sich wirklich mal angucken, wie das Leben im Mezzogiorno so spielt?
Die Schatten der großen Ereignisse tauchten in Lecce in Form von Straßenwalzen auf, die Asphalt plätteten und den Verkehr gründlich lahm legten. Was jahrelang verdaddelt wurde, seit einigen Wochen geht’s rund. Plötzlich wird ein Fahrradweg nach drei Jahren Bauzeit allerfeinst fertiggestellt, 500 Meter mit hübscher Hecke am Rand und alle fünf Meter eine Straßenlaterne, damit man sich auch nachts daran erfreut, denn ansonsten gibt es kaum Radwege. Oder die Piazza Santa Chiara, wo seit Ewigkeiten Archäologen herumpuzzelten, irgendwann nichts mehr passierte und heute morgen hektisch Rasen ausgerollt wurde. Wir reiben uns die Augen und staunen.
„Lecce emfängt die Welt“, freut sich die Stadtregierung und entschuldigt sich bei uns Bewohnern mit obigem Video auf youtube. Hat bislang nur noch kaum einer gesehen und die großen Rätsel bleiben ungelöst: Sollen Bäcker, Schlachter und Blumenverkäufer, Antiquitätenhändler, Apotheker und Zeitungsmann nun ihre Läden aufmachen oder nicht? Bars, Restaurants? Wirte und Geschäftsleute zetern, zwei Tage, bevor die Welt auf Lecce guckt, weiß wunderbarer Weise keiner was Genaues.
Natürlich wird es eine Rote und eine Gelbe Sicherheitszone geben, mitten in der Stadt rund um den Tagungsort im wehrhaften Castello. Aber was ist noch erlaubt, was nicht, wenn acht Wirtschaftsminister vor der Welt geschützt werden müssen? Wo endet die Rote und beginnt die Gelbe Zone? Das wird zwei Tage vor dem Gipfel noch nicht verraten. Dürfen wir Anwohner noch raus oder nicht?
Sicher scheint: Es werden Müllcontainer und Papierkörbe entfernt – wegen der Bomben – und 1000 Polizisten stehen bereit – wegen dem Gegengipfel „No G8 in Lecce“. Man kann ja nie wissen. Erst Anfang der Woche haben die Organisatoren als Finanzminister vermummt auf dem Wochenmarkt mit selbst gedruckten 500 Dollar Scheinen um sich geworfen. Wer weiß, was noch kommt.
So harren wir der nicht weniger spontanen Entscheidungen der Stadtverwaltung. Soll hier nun Welt emfangen werden oder ist Lecce nur eine aufgebrezelte Geisterstadt?
Der ganz normale Wahnsinn eben. Aber eins ist sicher: Da die Straßen und der Fahrradweg fein säuberlich fertiggestellt worden sind und sicherlich kurz vor der Ankunft der Minister noch alles gefegt worden sein wird, haben die entsprechenden Staatsdiener damals absolut gar nichts vom richtigen Mezzogiorno sehen können. 😉
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